Inten­sives Ringen um den Wärme­plan – er wurde (noch) nicht beschlossen

„Der Verein Zukunft Gauting e.V. hat zum auslie­genden Entwurf des Wärme­plans für die Gemeinde Gauting mit Stand 18. Juli 2025 eine umfas­sende und fundierte Stel­lung­nahme abge­geben.“ – so leitet das Bera­tungs­un­ter­nehmen KLIMA3 seine Antwort – im Auftrag der Gemeinde Gauting – auf unsere  konkreten Verbes­se­rungs­vor­schläge ein, bestä­tigt berech­tigte Heraus­for­de­rungen und soziale Härten. Aber am Ende bleibt der Wärme­plan­ent­wurf bis auf klei­nere Korrek­turen bei der Ziel­vor­stel­lung, dass Gautings Gebäude in 20 Jahren zu 80 % über Strom (Wärme­pumpen) und im Rest im Wesent­li­chen über heute noch nicht exis­tie­rende Nahwär­me­netze versorgt werden sollen. Anträge der UBG, die die Vorschläge von Zukunft­Gauting zur grund­le­genden Über­ar­bei­tung am vergan­genen Dienstag in den zustän­digen Umwelt­aus­schuss des Gemein­de­rates einge­bracht hatten, fanden nicht die erfor­der­liche Unter­stüt­zung.

Was haben wir erreicht?

Gemeinde bleibt in der Verant­wor­tung gegen­über dem Bürger.

Im bishe­rigen Entwurf sollte der Bürger selbst auf die Suche gehen, wer even­tuell Investor für ein Wärme­netz sein könnte. Hier bleibt jetzt die Gemeinde in der Verant­wor­tung als Ansprech­partner. Das ist positiv!

Die Probleme mit Nahwär­me­netzen werden zuge­geben.

 Die Stel­lung­nahme benennt berech­tigte Heraus­for­de­rungen beim Ausbau von Nah- und Fern­wär­me­netzen. Unklare Betreiber und Finan­zie­rungs­mo­delle bergen Risiken, da der Aufbau hohe Anfangs­in­ves­ti­tionen bedarf…Auch für Endkunden bestehen Preis­ri­siken: Wer sich an einen Monopol-Liefe­ranten bindet, braucht trans­pa­renten Preis­for­meln und wirk­same Aufsicht. Hinzu­kommt die begrenzte Finanz­kraft…, sodass Gauting kaum selbst als allei­niger Investor auftreten kann.

Heute kann der Bürger einfach und unkom­pli­ziert seinen Gas- oder Strom­ver­sorger  oder den Öllie­fe­ranten wech­seln, wenn er mit der Leis­tung oder bei Preis­er­hö­hungen unzu­frieden ist. Das beun­ru­higt viele Menschen, dass ihnen diese Möglich­keit mit Wärme­netzen genommen wird. Es ist gut, dass das zuge­geben wird.

Die Bedeu­tung des Gasnetzes wird aner­kannt.

Zu Recht wird darauf hinge­wiesen, dass diese Infra­struktur – ein bedeu­tender kommu­naler Vermö­gens­wert, tech­nisch intakt und bereits weit­ge­hend abge­schrieben – im Rahmen der Wärme­pla­nung nicht vorschnell außer Acht gelassen werden sollte. Aus rein tech­ni­scher Sicht ist das Netz grund­sätz­lich geeignet, künftig auch klima­neu­trale Ener­gie­träger wie Wasser­stoff, Biome­than oder synthe­ti­sches Methan aufzu­nehmen. Eine – zumin­dest vorüber­ge­hende Weiter­nut­zung des Gasnetzes – könnte der Gemeinde zusätz­liche Flexi­bi­lität verschaffen und sozialen wie wirt­schaft­li­chen Druck bei der Umrüs­tung von Heiz­sys­temen abfe­dern.

Belas­tungen für Eigen­tümer älterer Gebäude werden einge­räumt.

Auch mit staat­li­cher Förde­rung bleibt der Eigen­an­teil für viele Bürger im fünf­stel­ligen Bereich“

Über 4.000 der 6.800 Gebäude in Gauting stammen aus der Zeit vor 1980. Wärme­pumpen + Zusatz­lö­sungen + Sanie­rungs­maß­nahmen müssen natür­lich immer im einzelnen geprüft werden, aber Kosten von 60.000 – 120.000 € kommen schnell zusammen.

Viele trifft das hart:

  • Explizit nennt Klima3 ältere Menschen, die oft gar keinen Kredit mehr von der Bank bekommen, um den mögli­cher­weise rasch notwen­digen Heizungs­aus­tausch zu finan­zieren.
  • Aber es trifft auch jüngere. Die junge Familie, die gut verdient, aber mit der Bedie­nung ihres Immo­bi­li­en­kre­dits für den gerade erst erwor­benen Altbau bis an die Belas­tungs­grenze gefor­dert ist.
  • Oder Menschen mit alten Häusern, die viel­leicht noch ca. 20 Jahre genutzt werden, für die eine Sanie­rung völlig unwirt­schaft­lich ist.

Was haben wir nicht erreicht?

Leider zu viele Punkte. Und vor allem entschei­dende.

GasNETZ­brücke wird abge­lehnt.

Explizit wird bestä­tigt, dass die Weiter­nut­zung des Gasnetzes mit klima­neu­tralem Ersatz für Erdgas als „Brücke“ aus sozialer Sicht nach­voll­ziehbar ist. Gleich­wohl wird abge­lehnt, die „GasNETZ­brücke“ als Option für Gautings stra­te­gi­sche Ziel­set­zung bei der Wärme­pla­nung aufzu­nehmen. Die Kern­ar­gu­mente – gibt es nicht genug von, zu teuer, Stadt­werke wollen das nicht, ener­gie­po­li­ti­sche Vorgaben des Bundes – über­zeugen unver­än­dert nicht. Unter den Experten ist – wie fast bei jedem Thema – umstritten, ob dies in den 30er Jahren ein gang­barer Weg wäre.

Es wäre daher sinn­voll, sich diese Option offen­zu­halten und natür­lich auch dafür aktiv einzu­treten. Das wäre gerade ange­sichts der Gautinger Situa­tion und der Probleme für viele Bürger mit älteren Häusern eine kluge Vorge­hens­weise. Gerade für eine Altbau­ge­meinde wie Gauting.

Unrea­lis­ti­sche Zeit­pla­nung für Wärme­netze bleibt.

6 der 9 Wärme­netze sollen bis 2030 nicht nur geplant, sondern gebaut und in Betrieb genommen werden. Jeder in der Gemeinde weiß, dass dies ange­sichts des heutigen Aufwands in Planungs­ver­fah­rens, der beschränkten Ressourcen in der Verwal­tung und mangelnder Kapa­zi­täten, um all die Straßen aufzu­reißen, unrea­lis­tisch ist.

Nahe­lie­gend wäre es, eine zeit­liche Stre­ckung vorzu­sehen. Aber hier warnt Klima3. Wenn der Zeit­plan nicht einge­halten wird, droht ein Schei­tern des Plans in diesem Bereich. Inter­es­sant ist in der Stel­lung­nahme der Berater, dass die Gemein­de­ver­wal­tung im Rahmen der Entwurfs­er­stel­lung den Personal- und Finanz­auf­wand realis­tisch einschätzen musste. Gleich­wohl wurde dieser Aufwand im Umwelt­aus­schuss nicht trans­pa­rent gemacht mit der distan­zie­renden Aussage „Die Umset­zung des Wärme­plans wird durch die Verwal­tung ledig­lich ange­stoßen und koor­di­niert“.

Hier fügt es sich, dass die Gemeinde für 2025/26 einen Doppel­haus­halt aufge­stellt hat. So wird sich dann ein neuer Bürger­meister – unsere derzei­tige 1.Bürgermeisterin Dr. Brigitte Kössinger stellt sich bekannt­lich nach zwei Wahl­pe­ri­oden nicht erneut zur Wahl – und ein neuer Gemein­derat mit den Haus­halts­kon­se­quenzen ausein­an­der­setzen müssen.

Wie geht es weiter?

Wärme­plan noch nicht beschlossen.

Die Konse­quenzen sind  aktuell unklar. Das Wärme­pla­nungs­ge­setz des Bundes schreibt vor, dass  der maßgeb­lich von den Bera­tern erar­bei­tete Entwurf des Wärme­plans  von dem zustän­digen poli­ti­schen Gremium, im Fall der Gemeinde Gauting ist das der Umwelt­aus­schuss, beschlossen werden muss.

Zu diesem Beschluss kam es in der Sitzung letzten Dienstag nicht, die Gemein­de­räte haben den Entwurf ledig­lich „zur Kenntnis genommen“, aber (noch) nicht verab­schiedet. Die UBG-Frak­tion hat die Bürger­meis­terin Dr. Brigitte Kössinger gebeten, im Rahmen ihrer Zustän­dig­keit die Situa­tion zu prüfen.

Gashei­zungen dürfen weiter erneuert werden.

Es ändert sich aktuell nichts daran – das Gashei­zungs­verbot gilt erst ab 30.6.2028 für klei­nere Gemeinden wie Gauting. Schon allein deshalb, weil der Wärme­plan ja noch gar nicht final beschlossen ist. Aber selbst wenn der Wärme­plan in der jetzigen Entwurfs­fas­sung beschlossen würde, fehlt noch ein weiterer Umset­zungs­be­schluss mit der Folge, dass die Verbote des Gebäu­de­en­er­gie­ge­setzes früher in Gauting wirksam würden. Das will aber derzeit niemand in Gauting.

Was ist mit dem Strom­be­darf?

Regio­nal­werk Würmtal und Bayern­werk sind für das Gautinger Orts­netz zuständig. Diese wollen ihre Inves­ti­tionen „verdop­peln“. Ob das reichen wird ange­sichts der von der Gemeinde Gauting formu­lierten Ziel­set­zung, mehr als 80% der Gebäude bis 2045 mit Strom (Wärme­pumpen) zu beheizen, muss sich in der Praxis zeigen. Hier wird eine enge Abstim­mung erfor­der­lich sein. Gut, dass das so vorge­sehen wurde!

Mögli­cher Investor für Wärme­netze gefunden?

Bekannt­lich will eine Toch­ter­ge­sell­schaft der Stadt­werke Schwä­bisch Hall (KWA Contrac­ting) über die Geothermie Gauting ein Netz reali­sieren, falls die Förde­rung von Geothermie zustande kommt. Wenn dieses Projekt schei­tern sollte (hier der Stand von Anfang September) und die KWA sich für die im Wärme­plan vorge­se­henen 9 Wärme­netze enga­gieren würde, wäre das eine gute Entwick­lung.

Fazit für heute

Wir sind nicht zufrieden mit dem erreichten Stand der Wärme­pla­nung für Gauting. Aber immerhin ist es uns gelungen, die wesent­li­chen unge­lösten Fragen, Wider­sprüch­lich­keiten und für viele Gautinger Bürger drohenden Belas­tungen sehr deut­lich werden zu lassen. Wir hoffen natür­lich darauf, dass bei der Umset­zung vieles noch besser gelöst wird. Spätes­tens nach 5 Jahren muss die Gemeinde eine Fort­schrei­bung des Wärme­plans vornehmen.

Und viel­leicht ändert sich bis dahin in Gemein­de­ver­wal­tung und ‑rat auch die Sicht auf die eigene Rolle bei der Wärme­pla­nung. In Diskus­sionen mit der Verwal­tung und Gemein­de­räten wird heute die Rolle der Gemeinde als eher unter­ge­ordnet zu den ener­gie­po­li­ti­schen Vorgaben des Bundes gesehen, es wird die mangelnde recht­liche Außen­wir­kung des Wärme­plans betont („ist doch nur eine Art Gutachten“) und die einge­schränkten Einfluss­mög­lich­keiten der Gemein­de­ebene. Viele sehen in der Wärme­pla­nung eher eine Ideen­samm­lung und Beschrei­bung von Möglich­keiten. Und womög­lich hoffen manche darauf, dass die neue Bundes­re­gie­rung bis dahin auch die ange­kün­digte Über­prü­fung und Anpas­sung der gesetz­li­chen Rege­lungen umge­setzt hat und vieles doch anders kommt.

Tatsäch­lich misst die Bundes­re­gie­rung den Gemeinden eine viel größere Verant­wor­tung zu. In der Begrün­dung des Wärme­pla­nungs­ge­setz hat sie formu­liert:

Den Städten und Gemeinden kommt für das Gelingen der Wärme­wende eine entschei­dende Rolle zu. Die rele­vanten Weichen­stel­lungen werden nicht nur auf Bundes- und Landes­ebene, sondern insbe­son­dere vor Ort getroffen. Die lang­fris­tigen und stra­te­gi­schen Entschei­dungen darüber, wie die Wärme­ver­sor­gung orga­ni­siert und in Rich­tung Treib­haus­gas­neu­tra­lität trans­for­miert wird und welche Infra­struk­turen dazu notwendig sind, müssen vorbe­reitet, mit betrof­fenen Bürge­rinnen und Bürgern sowie Unter­nehmen disku­tiert, beschlossen und anschlie­ßend umge­setzt werden.

Zukunft­Gauting bleibt dran – wir wünschen uns eine aktive Rolle der Gemeinde. Und wir plädieren dafür, im Inter­esse vieler Gautinger Bürger auch gegen die „herr­schende Lehre“ Annahmen in Frage zu stellen und sich für Verän­de­rungen  einzu­setzen.