Sie wollen nichts mehr davon hören? „Bezahlbares Wohnen“ klingt wie ein Phantom aus der Berliner Politik, alle reden darüber, aber man findet es nirgends? Und auch in Gauting geistert dieses Gespenst schon seit Jahren durch die Gemeinde.
Die gute Nachricht – zwei wichtige Projekte könnten in den nächsten Wochen tatsächlich „grünes Licht“ erhalten, der jetzige Gemeinderat scheint entschlossen noch vor der Kommunalwahl im März 2026 die jeweiligen Bebauungsplanverfahren abzuschließen und Baurecht zu schaffen. Damit die Bagger dann tatsächlich demnächst rollen….
„Patchway-Anger“ auf der Zielgeraden
Vor über 10 Jahren hat die Firma AOA Gauting verlassen, seitdem dämmert das Areal an der Ammerseestrasse vor sich hin. Einerseits grünes Brachland und in der ehemaligen Firmenstätte einige Jahre Flüchtlingsunterkunft, die jetzt aber nicht mehr benötigt wird.
Und fast genauso lange wird schon darüber debattiert hier in einem Mix unterschiedlicher Wohnformen auch in erheblichem Umfang Wohnungen für Menschen mit „kleinem Einkommen“ zu schaffen. Dazu die nötige Infrastruktur mit Lebensmittelgeschäft, Kindergarten, Coworking-Flächen und Nachbarschaftsraum rund um eine großzügige Grünfläche, die öffentlich zugänglich sein soll.
Jetzt hat der Gautinger Bauausschuss nach ungezählten Sitzungen, öffentlichen Vorstellungsrunden, Vielzahl von Gutachten, Plänen und immer neuen Modifikationen viele hundert Seiten an Stellungnahmen aus der erforderlichen öffentlichen Auslegung beraten und abgewogen.
Nur wenige Änderungen waren erforderlich, die jetzt noch einmal in eine verkürzte öffentliche Auslegung gehen und dann kann der Bebauungsplan final beschlossen werden.
Natürlich stößt ein solches Projekt nicht überall auf Begeisterung. Und es ist kein Geheimnis – die unmittelbaren Anlieger um das Areal haben gemischte Gefühle bei dem Projekt, viele machen sich Sorgen.
Das kann man verstehen und wurde im Bauausschuss offen besprochen. Wenn in einer heute unbewohnten Nachbarschaft Wohnungen entstehen, in denen einmal ungefähr 500 Menschen leben werden, ist das eine gravierende Veränderung. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Eigentümer heute bereits nach dem geltenden Bebauungsplan aus dem Jahre 2002 Baurecht in ähnlicher Größenordnung haben. Aber niemand wünscht sich eine Bebauung des Areals nach dem damaligen Konzept.
Im Kern drehen sich alle Argumente seit Jahren um zwei Punkte:
- Wird das zu wuchtig, erschlägt es die Nachbarschaft? Es wird mehr Gebäude geben im Vergleich zur leeren Wiese, aber es liegt vergleichbar zu dem, was die Eigentümer heute bereits realisieren dürfen.
- Reichen die Parkflächen aus, wird es einen Kampf um Parkplätze geben? Die notwendige Mehrheit für das Projekt hat sich erst gefunden, als die Gautinger Grünen nach der letzten Kommunalwahl ihren Widerstand gegen das Projekt aufgegeben haben. Voraussetzung hierfür war die Einfügung eines umfassenden Mobilitätskonzeptes mit deutlich weniger Tiefgaragenplätzen als zu vor vorgesehen. Siehe hierzu unseren Bericht aus dem Jahr 2020.
Die große Mehrheit im Gautinger Gemeinderat steht hinter der finalen Planung, die versucht hat, bestmöglich alle Anliegen abzuwägen. Das sind die CSU, die Grünen, MfG und die UBG.
Bis heute lehnen die SPD und die FDP den Bebauungsplan ab. MiFü ist auch dagegen. Im Bauausschuss hat sich deren Vertreter und Bürgermeister-Kandidat Harald Ruhbaum an der Abstimmung nicht beteiligt, weil er nach den Regeln der Gemeindeordnung in einem Interessenkonflikt (Anlieger zum AOA-Areal) nicht abstimmen kann.
Das Mooritz – ein pfiffiges Konzept für junge Leute am Bahnweg
Viel schneller könnte es mit dem Projekt des seit 50 Jahren bestehenden Münchner Familienunternehmens BHB Beckhammer gehen, die aus einem seit Jahren leerstehenden Gebäude am Bahnweg kurz vor dem Pippin Platz etwas Besonderes machen wollen
Hier sollen in einem von der Staatsregierung begleiteten Pilotprojekt zum „vereinfachten Bauen“, dem sog. Gebäudetyp E, 90 Apartments für
- Studenten und Azubis
- Junge Berufstätige in den ersten 3 Jahren nach der Ausbildung
- Beschäftigte aus Engpassberufen, zB. Pflegekräfte oder Erzieher
entstehen. Diese Wohnungen sollen bezahlbar werden, nicht unbedingt aufgrund besonders niedriger qm-Mieten, sondern aufgrund des Gesamtkonzeptes (weniger PKW-Stellplätze aufgrund der zentralen Lage, den guten Zuschnitt der Wohnungen und eines maßvoll erhöhtes Baurecht).
Der vorhabenbezogene Bebauungsplan befand sich bereits in der Auslegung, die Abwägung der Stellungnahmen aus der öffentlichen Anhörung soll zeitnah im Bauausschuss erfolgen und dann kann auch hier der Bebauungsplan kurzfristig beschlossen werden.
Auch hier gibt es Widerstand aus der Nachbarschaft, der zuletzt auf der Bürgerversammlung im Rathaus lautstark artikuliert wurde. Es scheint so, als ob das Leben, das mit solch einem Konzept und Bewohner-Zielgruppe in den Ort kommt, nicht jedem Nachbar richtig schmeckt.
Erstaunlich: ausgerechnet die Gautinger SPD, die man ja eigentlich auf der Seite der Förderer von Wohnraum für Menschen mit niedrigem Einkommen vermuten würde, steht hier alleine auf der Seite der Kritiker. Natürlich sagen sie nicht, dass sie gegen das Projekt sind. Aber alle ihre Anträge und Vorstöße zielen im Ergebnis auf Verzögerung und Verteuerung.
Unser Fazit
Wenn wir nicht wollen, dass immer mehr Grün- und Ackerflächen am Ortsrand für Wohnflächen bebaut werden („Flächenfraß“), aber gleichzeitig auch wünschen, dass nicht nur, aber vor allem auch Menschen mit „kleinem Einkommen“ in Gauting nicht nur arbeiten, sondern auch leben können, geht kein Weg an der maßvollen Verdichtung im Ortskern vorbei.
Niemand will hier Hochhäuser, aber eine etwas dichtere Bebauung ist Voraussetzung dafür, dass dies gelingt. Und gerade hier gibt es immer mehr Menschen, die auch ohne Auto klarkommen. Weil sie es sich nicht leisten können oder es wollen. Das hilft, um Baukosten begrenzen zu können.